Was macht einen guten Sprachlerner aus?
Viele fragen, ob es besondere Eigenschaften oder Fähigkeiten sind, wie aus manchen Leuten bessere Sprachlerner machen als andere.
- Braucht es einen mathematischen Verstand, um Grammatik zu dekodieren?
- Ein musikalisches Ohr, um unbekannte Laute zu hören?
- Jemanden mit einem guten Gedächtnis?
- Oder ist die Befähigung zum Sprachelernen eher etwas, das man lernen kann, als ein Geschenk, mit dem man geboren wurde?
Es ist die alte Anlage vs. Umwelt Debatte (nature vs. nurture) und die ist nicht wirklich hilfreich, wenn es zum Sprachelernen kommt. Die meisten lernen eine Sprache ja nicht, weil sie an ihre Sprachlernfähigkeiten glauben, sondern weil sie denken, es ist ein wichtiger Teil ihres Lebens oder ihrer Arbeit. Somit ist die wirklich wichtige Frage:
Was kann ich tun, damit ich der bestmögliche Sprachlerner werde?
Es gibt tatsächlich ein paar gemeinsame Eigenschaften von erfolgreichen Sprachlernern. Die wenigen hervorstechenden sind Motivation (der wichtigste Faktor bei erfolgreichem Sprachelernen) und die Bereitschaft, Fehler zu machen. Aber ein kürzlich veröffentlichter Artikel aus Cambridge hebt eine weitere Fähigkeit hervor, die andere Studien bereits zitiert haben:
das Konzept des Arbeitsspeichers
Was heißt „Arbeitsspeicher“? Kurz gefasst ist es die Fähigkeit, Informationen im Kurzzeitgedächtnis zu behalten, zu prozessieren und zu gebrauchen, während man zur selben Zeit mit anderer neuer Information hantiert.
Zum Beispiel: Wenn du ein neues Wort hörst, bist du fähig, dieses Wort im Gedächtnis zu behalten (oder Teile davon), während du noch jemandem zuhörst, um dann vielleicht sogar dasselbe Wort in deiner Antwort in der richtigen grammatischen Form zu nutzen?
Dies ist eng verbunden mit einer anderen Fähigkeit, welche die Studie nennt: „Phonologisches Gedächtnis“ oder die Fähigkeit, ein Set neuer Laute im Kurzzeitgedächtnis zu halten und diese Laute in Gedanken wiederholt zu hören. Dabei nutzt du die „phonologische Schleife“, um dir das neue Wort zu merken.
[pullquote]Arbeitsspeicher meint hier die Fähigkeit, Informationen im Kurzzeitgedächtnis zu prozessieren, während man zur selben Zeit mit anderer neuer Information hantiert.[/pullquote]
Nun, solch eine Studie könnte für jemanden, der meint kein gutes Gedächtnis zu haben, entmutigend sein. Aber wenn das Gedächtnis kein statisches Geschenk sondern eine entwicklungsfähige Fähigkeit ist, dann gibt es keinen Grund, sich schlecht zu fühlen. Stattdessen ermutigen solche Studien Sprachlerner dazu, Wege zu finden, wie sie ihr Gedächtnis verbessern können, besonders das phonologische Kurzzeitgedächtnis, und dazu, Sprachlernmethoden zu nutzen, die ihren Arbeitsspeicher zum größten Vorteil nutzen.
Was kannst du also machen, um deinen Arbeitsspeicher aktiver und effektiver zu machen?
Eine sehr einfache Aktivität ist es, wann immer man ein neues Wort hört, ob in einer Sprachsession oder im Alltag, dieses im Kopf ein paar Mal zu wiederholen. (Sei sicher, dass du die Aussprache deines Sprachhelfers wiederholst und nicht deine eigene!) Manche Leute haben die Angewohnheit, einen neuen Namen mehrmals zu wiederholen, wenn sie ihn das erste Mal hören, so dass sie ihn eher behalten. Das ist dieselbe Idee: Lass die phonologische Schleife in deinem Kopf sich drehen, so dass es wahrscheinlicher wird, dass das Wort kleben bleibt.
Aber niemand kann jedes Wort, das er zum ersten Mal hört, vollständig behalten und wiederholen. Ein Vokabular aufzubauen, braucht Zeit. Deshalb wirst du anfangen wollen, ein Wort vom Arbeitsspeicher in dein Langzeitgedächtnis zu schieben. Je häufiger ein Wort immer wieder in deinem Arbeitsspeicher auftaucht, um so wahrscheinlicher ist es, dass es in deinem Langzeitgedächtnis landet.
Das heißt, dass du im Sprachlernprozess absichtlich und ständig alte Wörter in neuen Kontexten verwenden muss, so dass du über einen längeren Zeitraum Umgang mit ihnen hast. Pimsleur* zum Beispiel empfahl, neue Wörter zu hören „in Intervallen von fünf Sekunden, 25 Sekunden, 2 Minuten, 10 Minuten, eine Stunde, fünf Stunden, einen Tag, fünf Tage, 25 Tage, vier Monate und dann zwei Jahren.“ So genau musst du es nicht machen, aber das Prinzip ist das gleiche. (* Paul Pimsleur, 1928–1972, schuf eine spezielle Sprachlernmethode.)
Was kannst du noch tun, um Nutzen aus deinem Arbeitsspeicher zu ziehen und ihn zu verbessern?
Mache so viel du kannst mit einem neuen Wort. Wenn du zum Beispiel im Gespräch mit einem Freund bist und er sagt ein Wort, das du nicht kennst, frage ihn danach. Frage, was es bedeutet, wie du es nutzen kannst usw. All diese Wiederholungen und Verstärkungen werden dir helfen, das Wort in deinen Arbeitsspeicher und dann vielleicht in dein Langzeitgedächtnis zu bekommen. Oder versuche, ein mentales Foto von der Situation zu schießen: Wo hast du das Wort gehört, in welchem Kontext wurde es verwendet und von wem? Das macht es einfacher, sich an das Wort zu erinnern.
In jedem Fall ist das Ziel, ein Wort in deinen Arbeitsspeicher zu bekommen und es dann durch konstantes und wiederholtes Verwenden in dein Langzeitgedächtnis zu verlagern, statt zu versuchen, es sofort in dein Langzeitgedächtnis zu bekommen. Neue Information braucht einfach Zeit, bis sie sich in einem Langzeitgedächtnis festsetzt. Aber um dorthin zu gelangen, musst du deinen Arbeitsspeicher aktiv nutzen und ihm viele Möglichkeiten geben, um ein Wort zu verarbeiten und zu verstehen, um es schlussendlich in den Griff zu kriegen.
*[Anmerkung vom Übersetzer: Statt Arbeitsspeicher könnte man auch Kurzzeitgedächtnis im Deutschen sagen. Allerdings unterscheidet Chris zwischen den beiden. Arbeitsspeicher bezeichnet sonst für uns den Zwischenspeicher eines Computers, der nur im Betrieb funktioniert. Da der Vergleich ganz passend erscheint, haben wir hier Arbeitsspeicher stehen gelassen. Arne]