Nach Jahren im Ausland komme ich nach Hause. Endlich, denke ich vielleicht oder auch schade dass ich nicht bleiben konnte! Dann das große Erwachen:
Das Land, das ich betrete, ist nicht das Land, welches ich verlassen habe! Alles ist anders! Die Leute reden meine Sprache, aber sie sagen nicht, was ich verstehe. Sie meinen was Anderes, aber ich verstehe nicht was.
Sie verhalten sich komisch, sind indirekter, direkter, unhöflicher, irgendwie seltsam. Sie reden mehr Englisch als Deutsch oder Französisch. Kommen ständig mit Mobiltelefonen und anderen Geräten, die ich weniger kenne – oder genau umgekehrt: Sie sind verschlossener gegenüber neuer Technologie, als ich es im Ausland erlebte.
Wenn so was passiert, hat die Person einen Wiedereingliederungsschock, oder auf Englisch re-entry shock genannt wird. Man kommt zurück in die eigene Heimatkultur und erlebt sie als fremd – ganz genau wie beim ersten Weggang, als man zum ersten Mal ins Ausland ging, nur diesmal kommt man zurück.
Dieser Schock ist genauso eine Verwirrung der eigenen Gefühle wie beim normalen Kulturschock auch. Häufig ist er noch stärker als der normale Kulturschock, und zwar aus zwei Gründen:
-
Man ist weniger vorbereitet, schließlich kommt man nach Hause. Und die meisten Betroffenen waren immer im Kontakt mit Freunden und Familien im Heimatland, haben alle wichtigen Neuigkeiten mit bekommen und wähnen sich auf dem aktuellen Stand der Zeit.
-
Die Umgebung hat überhaupt kein Verständnis für die eigenen Probleme: „Du bist doch jetzt zu Hause!“ ist eine normale Reaktion der Freunde, der Familie, von Bekannten.
Eigentlich, und die Betonung liegt auf „eigentlich“, sollte dieser Schock einfacher zu behandeln sein als der normale Kulturschock. Das Gegenteil ist häufig der Fall. Häufig hat das Unverständnis der Umgebung die eigene Missachtung des Problems zur Folge: Man will nicht wahrhaben, dass da eine Herausforderung besteht. Und das macht alles schwieriger.
Interessanterweise gilt: Ganz kurze Auslandsaufenthalte machen meist keine Probleme. Man war zu kurz weg. Aber zwei bis vier Jahre bereiten die meisten Probleme! Man erwartet keine Unterschiede: So stark kann sich das eigene Land ja nicht verändert haben. War aber jemand zwanzig Jahre oder länger weg, ist auch der Umgebung klar, dass diese Person eine andere geworden ist und nicht mehr „normal“ sein kann.
Wie geht man damit um?
Viele der bereits genannten Tipps gelten auch hier. Was mache ich, wenn ich länger weg war?
- Fragen stellen, Interesse zeigen am Erlebten der Freunde im Heimatland, nach haken und Unterschiede herausstellen
- Erlebtes im Ausland mit dem heutigen Erleben im Inland kontrastieren und versuchen, die Unterschiede zu verstehen
- Literatur über die Geschichte des eigenen Landes in den letzten Jahren kann helfen: Politik, Kultur und Zeitgeschichte. Dies hängt allerdings stark von den persönlichen Präferenzen ab: Nicht jeder mag so was.
- Gelassen bleiben, auch bei Missverständnissen.
- Grundsätzlich: Zeit haben, viel Zeit haben. Der Re-entry-Shock braucht mehr Zeit als ein normaler Kulturschock
Was hilft am meisten?
Es gibt in der modernen Welt immer mehr Menschen, die kürzer oder länger im Ausland waren. Mit diesen das Gespräch zu suchen, ist das beste Mittel, die Heimat von heute zu verstehen: Was hat sich verändert? Wo sind die Unterschiede?
Dabei gilt es zu graben: Die Medienlandschaft verändert sich, berichtet aber letztlich immer relativ oberflächlich. Was zählt, liegt tiefer in den Emotionen und Wertevorstellungen der normalen Menschen. Wenn man dies versteht, kann ein Heimkehrer besser ahnen, was sich verändert hat und wie er darauf reagieren kann.
Den Reichtum entdecken
Letztlich geht es um Identität: Wer bin ich nach den langen Jahren im Ausland? Bin ich noch ein echter Deutscher, Franzose, Amerikaner? Bin ich eine Mischung? Wie definiere ich mich? Was ist mir jetzt wichtig und was war mir wichtig, als ich ging? Meist ist die eigene Identität bereichert worden durch viele andere Ansatzpunkte, andere Denkweisen, andere Ideen.
Diesen Schatz gilt es zu heben und zu nutzen. Kontakt mit Ausländern im Heimatland kann helfen, den eigenen Schock zu überwinden und anderen zu helfen, ihren Kulturschock zu bearbeiten. Das Gespräch bereichert und belebt. Und hilft.
Tagebuch schreiben, überhaupt schreiben kann eine gute Idee sein. In der modernen Welt vielleicht auch ein Blog oder eine einfache Webseite, wo man sich Freunden mitteilt, wie auch Twitter, Facebook, u.a.
Das kostet alles Zeit und Energie, aber ohne geht es nicht. Bewusst die Fragen angehen und sich ihnen stellen: Das ist der Schlüssel.