In den ersten Tagen in Algerien sind wir bei Freunden und haben wir relativ viel Zeit, um uns erst mal einzugewöhnen und Leute kennen zu lernen. Ich habe die Idee, in dieser Zeit die arabische Schrift schreiben und lesen zu lernen. Das ist auch zum Sprache lernen später gut, wozu wir aber jetzt während dieser ersten Reise wohl kaum kommen werden.
Ich frage also einen Freund, ob er mit helfen kann. Der ist einverstanden und ein paar Tage später – nach weiterem Fragen, denn einmal ist keinmal – geht es los.
Mit einer klaren Vorstellung, wie die Sache laufen könnte, gehe ich los – und erlebt alles ganz anders: Neben dem Freund ist noch ein anderer da, der die Hauptunterrichtsarbeit übernimmt. Ich kann kaum bestimmen, was ich lernen will, sondern die beiden setzen mir alles vor. Und das schlimmste: es ist wie in der Grundschule.
Vorschreiben, nachschreiben, nachsprechen, auswendig lernen und noch mal von vorne. Mit Drill und Ausdauer! Ich beschließe, das Spiel mitzumachen, auch um niemanden zu kränken. Nach anderthalb Stunden erlöst mich das Abendessen. Völlig fertig frage ich mich, ob ich das wiederholen muss.
[pullquote]Wie in der Grundschule: vorschreiben, nachschreiben, nachsprecehn, auswendig lernen und noch mal![/pullquote]
Am nächsten Tag ist klar: ich muss.
Um keinen schlechten Eindruck zu hinterlassen, muss ich noch mal um Unterricht bitten, sonst werden die beiden denken, ich fand es nicht gut. Aber ich frage so spät, dass es nur noch zu einer Unterrichtsstunde vor der Weiterreise kommen kann.
Die zweite Stunde ist auch besser und ermutigender. Zu meinem Erstaunen stelle ich später fest, dass die Methode doch nicht so schlecht war. Ich kann schon relativ gut lesen und lerne nach und nach dazu.
Es kommt immer anders als man denkt. Das einzig sichere hier ist: Es kommt nie so, wie gedacht, geplant oder erwartet. Nur wenn man sich auf die Situation einstellt, kommt man klar. Sonst sind Leute gekränkt oder irritiert. Flexibilität ist (fast) alles!
Ergänzung ein paar Monate später: Der Grundschulunterricht war im Nachhinein besehen sehr typisch. Viele Dinge laufen mit Drill und anderen pädagogischen Methoden, die bei uns eher aus der Mode sind. Der Unterricht war aber sehr hilfreich: Ich kann ungefähr die Hälfte aller Wörter lesen, wenn ich sie kenne. Anna, die nicht in den Genuss der Grundschul-Drills kam, ist noch lange nicht soweit
Ergänzung noch mal später: Mittlerweile wissen wir: Dies ist der Lehrstil im Land. Ob man es mag oder nicht. Man muss sich daran gewöhnen – und lernt dann auch ganz gut. Da wir immer Leute brauchen, die uns Sprache, Kultur und anderes beibringen, haben wir eh keine Wahl.
[Mike, ein Freund von Arne, lebte 2010 bis 2011 für fast zwei Jahre in Algerien. Er hat uns erlaubt, ein paar seiner Kurzgeschichten über Land und Leute sowie die Sprache zu übernehmen, die er in der Zeit an Freunde versendet hat.]