Zeit ist Geld, heißt es bei uns. Zeit ist Leben, könnte man hier sagen. Während bei uns die Leute manchmal etwas gehetzt durch die Straßen laufen, stehen hier viele auf der Straße rum, unterhalten sich, tun gar nichts.
Als ich zum Frisör sollte, zögerte ich lange, weil ich keine Lust zum Warten hatte und der Frisörladen immer ziemlich voll schien. Als ich schließlich von Frau geschickt wurde, war ich sofort dran. Die Männer saßen dort nicht, um bedient zu werden, sondern um zu reden, sich zu unterhalten. Statt auf der Straße rumzustehen, saßen sie halt bei ihrem Freund, dem Frisör.
Dies ist aber auch schon die einzige Stelle, wo man nicht wartet. Sonst ist Warten Teil des Alltags. Man wartet nicht nur auf dem Flughafen oder an der Kasse, sondern auch auf Freunde, auf den Beginn einer Veranstaltung, auf das nächste Taxi oder den Bus usw.
Alle anderen waren nur da, um zu reden!
Man kann sogar so weit gehen zu sagen, dass die Leute denken, man ist doch nicht interessiert an ihnen, wenn man nicht auf sie wartet. Warten heißt, man meint es ernst. Wir haben am Anfang gewartet, weil wir nichts anderes zu tun und ohnehin Zeit hatten. Später merkten wir, wenn wir jetzt nicht gewartet hätten, wäre die Gelegenheit weg gewesen.
Natürlich ist das häufig nervig.
Man verliert Zeit, weil Angaben, die gemacht wurden, schlichtweg nicht stimmen, weil man statt einige Minuten Stunden wartet, weil Dinge einfach anders laufen und wir nicht verstehen wie. Insgesamt haben wir ca. 30 Stunden auf Flughäfen verbracht: nicht die 1 bis 2 Stunden, die man normalerweise wartet, sondern von 1,5 h Verspätung über 5 h Verspätung und dann doch annulliert bis zu 10 h später.
Die Einheimischen, vor allem Geschäftsleute, können ebenfalls ein Lied davon singen. Einer erzählte uns, er hätte ein Treffen mit Leuten aus dem Süden gehabt und sie wären auch zur richtigen Uhrzeit gekommen – allerdings zwei Tage später. Das liegt auch nicht immer am Einzelnen, sondern häufig auch an Behörden, an Umständen, an dummen Zufällen, am Wetter, usw.
[Mike, ein Freund von Rene, lebte 2010 bis 2011 für fast zwei Jahre in Algerien. Er hat uns erlaubt, ein paar seiner Kurzgeschichten über Land und Leute sowie die Sprache zu übernehmen, die er in der Zeit an Freunde versendet hat.]