Ich habe jetzt 60 Stunden Sprache gelernt mit meinem Sprachhelfer. Wahrscheinlich habe ich weitere 60 Stunden meine Aufnahmen angehört. Mein Vokabular besteht aus rund 500 Wörtern. Nun, das ist ziemlich schwierig zu sagen, weil die Zahl der Wörter, die ich aktiv sagen kann, natürlich viel kleiner ist als die, die ich verstehe.
Und dann ist da diese Gruppe von Wörtern, die ich nicht verstehe, wo ich aber sofort weiß, dass ich das Wort schon gehört habe – aber in welchem Kontext und was heißt es?
Jemand nannte das den Eisberg beim Sprache lernen: Man kann die Wörter oberhalb der Oberfläche aktiv gebrauchen. Aber das ist nur ein kleiner Teil, vielleicht ein Siebtel. Direkt unter der Oberfläche sind die Wörter, die man (noch) nicht verwenden kann, aber versteht. Noch tiefer sind die von denen meine eine vage Idee hat. Und ganz unten hat jene, die irgendwie bekannt klingen, aber das ist alles.
Ich habe schon bemerkt, dass in den letzten Wochen mehr und mehr Wörter nach oben wanderten: Das ist natürlich klasse. Man bekommt das Gefühl, dass man voran kommt, man lernt was. Aber selbstverständlich sind da noch so viele unten, irgendwo versteckt, nicht verloren, aber sie fühlen sich verloren an.
Und dann ist da der Alltag: Wenn Leute dir mitteilen – beabsichtigt oder unbeabsichtigt, ist egal – dass du nicht dazu gehörst. Sie wechseln die Sprache für dich. Sie sind zufrieden, wenn du in ihrer Sprache antwortest, zumindest ein bisschen. Aber sie nehmen an, dass du kein Tunesisches Arabisch kannst – was ja auch stimmt. Ich kann kein Essen bestellen oder nach einem Buch fragen oder nach dem Weg. Das klappt noch nicht richtig. Aber ich komme näher.
Meine große Krise vor ein paar Wochen ist noch präsent. Ich muss mich selber zwingen, über die Grenze zu gehen, aus der Wohlfühlzone heraus, das ist nötig. Ziemlich häufig mag ich das nicht. Es kostet Energie und da ist so viel anderes: Arbeit, Familie, Konflikte. Ich kann mich nicht gut konzentrieren und komme nicht immer klar. Nun, so ist das Leben halt.