Heutzutage hat eigentlich jeder schon mal versucht, eine andere Sprache zu lernen, und wenn auch nur ein paar Wörter. Daher gibt es fast so viele Sprachlernmethoden da draußen wie es Sprachlerner gibt: Jeder hat nämlich seine eigene Methode, wie genau auch immer diese definiert sein mag. Aber nicht alle Methoden sind gleichwertig. Manche sind doch einfach besser der Natur der Sprache und der des praktischen Lernens angepasst.
Darum beschäftige ich mich mit Sprachlernmethoden: Die Methode, die du verwendest, beeinflusst deine Ergebnisse und kann den Unterschied zwischen einem erfolgreichen und einem weniger erfolgreichen Umzug in eine andere Sprachgemeinschaft ausmachen.
Da ich sehr viel von einer bestimmten Methode gelernt habe und weil die meisten meiner Artikel über Sprachlernen auf diesen Ideen fußen, die ich bereits verinnerlicht habe, empfand ich es als eine gute Idee, mal eine grundsätzliche Zusammenfassung über diese Methode zu schreiben.
Die Methode nennt sich „Growing Participator Approach“ (Vorgehensweise als wachsender Teilnehmer, mehr oder wenig wörtlich übersetzt), oder kurz: GPA. Sie wurde von einem Linguisten namens Greg Thomson über die letzten zwei Jahrzehnte hinweg entwickelt. Ich denke, sie ist am nächsten dran an der Natur der Sprache und des Lernens, so dass sie einen effektiven und ermutigenden Weg zeigt, in eine andere Sprache hinein zu wachsen.
Zuallererst muss man sagen, dass GPA sich selbst als „Vorgehensweise“ (approach) bezeichnet, was von Weltanschauung und Methode unterschieden werden muss. „Weltanschauungen“ sind die allumfassenden Ideen über Sprache, Lernen und die Welt, welche dich zum Wie des Sprachlernprozesses führen; „Vorgehensweisen“ sind auf der mittleren Ebene, in welcher du einen groben Plan und eine allgemeine Struktur für deinen Sprachlernprozess erstellst; und „Methoden“ sind die speziellen Aktivitäten, die du zu bestimmten Zeiten anwendest, welche zur Vorgehensweise passen, welche wiederum mit deiner Weltanschauung übereinstimmen.
GPA als Vorgehensweise basiert trotzdem auf einigen wichtigen Sprachphilosophien und bedingt eine Reihe unterschiedlicher Methoden. Um GPA zu erklären, zerlege ich es in seine Weltanschauung, die Vorgehensweisen und Methoden. (Bitte bedenkt dass die folgende Zusammenfassung von GPA meine eigene ist und keine offizielle Repräsentation. Für mehr Informationen über GPA lest Greg Thomsons Schriften, die online verfügbar sind. )
Zuerst betrachte ich also die grundlegenden Weltanschauungen, die GPA unterliegen. Diese Anschauungen machen einen großen Unterschied, wie du eine Sprache lernst; wenn du zum Beispiel denkst, dass Sprache etwas Schriftliches ist, das wir sprechen, dann wirst du ganz anders eine Sprache lernen, als wenn du denkst, dass Sprache etwas Gesprochenes ist, das wir schreiben. Hier sind also die Hauptanschauungen:
1. Sprache ist nicht etwas, das gelernt wird, sondern ein Leben, das gelebt wird. Dies ist das Hauptprinzip hinter GPA, so dass es sogar im Namen des Ansatzes als „hineinwachsenden Teilnehmers“ (Growing participant) wiedergegeben wird. Sprache ist nicht ein Wust an Informationen, der absorbiert und gespeichert oder verinnerlicht wird wie Geschichte, sondern ein Kommunikationsmittel: eine neue Welt, in die wir hineingehen und in der wir leben, während wir an diesem neuen Leben teilnehmen.
Und wir nehmen in dem Maße an dieser neuen Welt teil, wie wir stetig in unserer Sprachkenntnis wachsen: Somit sind alle Sprachlerner wachsende Teilnehmer in einer neuen Sprache oder einer sprach-kulturellen Welt.
Dieses Prinzip stellt eine wichtiges Statement dar, nicht nur über Sprache sondern auch über die Einstellung, wie wir gedenken, in einer Sprache voranzukommen. Das heißt, nicht nur ist Sprache dein Mittel zur Teilnahme in einer Welt (das Ziel), sondern Wachstum in der Sprache wird erreicht, während du teilnimmst (das Mittel). Mehr dazu im nächsten Prinzip:
[pullquote]Das Hörverstehen ist die Basis aller anderen Sprachfertigkeiten.[/pullquote]
2. Um also in einer Sprache voran zu kommen, musst du immer mehr an der Sprachgemeinschaft teilnehmen. Während dies im Alltagsleben statt finden kann – besonders wenn du ein höheres Niveau der Sprachteilnahme erreichst – so geschieht es zumeist am besten durch konzentrierte oder „gut gefüllte“ Sitzungen, wo du mit einem Mitglied der Sprachgemeinschaft im genau dem für dich angebrachten Niveau zusammen arbeitest.
Hier sprechen wir ein echtes Dilemma an: Wenn mein Ziel die Teilnahme an einer Sprachgemeinschaft ist und das Mittel zum Ziel ist auch Teilnahme, wie kann ich dorthin kommen? Gibt es da einen besonderen Trick 17? Ich kann nicht teilnehmen, aber um teilzunehmen, soll ich teilnehmen!
GPA beantwortet diese Frage durch das Konzept der Wachstumszonen: Um dein Niveau der Teilnahme an einer Sprachgemeinschaft zu verbessern, musst du auf genau deinem Niveau teilnehmen – mit einer hilfreichen, geduldigen und auf dich fokussierten Person.
Daher ist, wenn du noch gar nichts kannst, deine Teilnahme auf non-verbale Kommunikation beschränkt. So nimmt dein Freund – die hilfreiche, geduldige Person – mit dir am Leben teil, und zwar ein klein wenig über dem Niveau, das du gerade hast, indem er dir Wörter nennt und auf Bilder zeigt. Du musst kein Wort der Sprache kennen, um zu verstehen, dass wenn er auf ein Bild mit einem Löwen zeigt und „sid“ sagt, dass dann das Wort sich auf das Tier auf dem Bild bezieht. Er hat dich etwas über deinem Niveau hinein genommen und dir geholfen, ein bisschen weiter zu kommen. Somit weißt du, wenn er später „sid“ sagt, wovon er redet, und er hat mit diesem Verständnis deine Teilnahme etwas weiter gespannt.
Oder wenn du bereits auf einem höheren Niveau der Teilnahme bist: Vielleicht verstehst du das meiste, was Leute zu dir sagen, aber du verstehst zwei Muttersprachler nicht, wenn sie miteinander reden. Wie beteiligst du dich, wenn du aus diesem Lebensbereich ausgeschlossen bist?
Du brauchst einen Freund, der dir die Teile, denen du nicht folgen kannst, erklärt und langsam deine Teilnahme aufbaut – wahrscheinlich Dinge wie verständliche Sprechgeschwindigkeit, Vokabular und allgemeines Kulturwissen –, bis du fähig bist, mehr und mehr am muttersprachlichen Gespräch teilzunehmen.
Aber ich bin zu schnell. Das gehört zu den Methoden, nicht zu den Prinzipien. Das Wichtige hier ist anzuerkennen, dass man immer etwas oberhalb seines Niveaus mit einer hilfreichen Person oder Gruppe arbeiten muss, um immer besser am Leben teilnehmen zu können, normalerweise im Kontext einer „gut gefüllten Teilnehmerstunde.“
3. Ein weiteres wichtiges Prinzip ist die Tatsache, dass man sehr viel verständlichen Input „in der Wachstumzone“ braucht, um in der Teilnahme zu wachsen; in anderen Worten, du solltest dich mit SEHR vielen Worten vertraut machen. Die Leuten erkennen häufig nicht, wie breit das Repertoire an Vokabular einer Sprache ist, denn Sprachen steht eine riesige Zahl an Wörtern zur Verfügung: Sie sind „wie das Meer“ wie es im Arabischen heißt.
Zum Beispiel, auf wie viele Wörter kommst du, die etwas ähnliches bedeuten wie „Haus“? Haus, Heim, Wohnung, Bleibe, Wohnsitz, Zuflucht, Residenz und Unterkunft sind nur einige, aber auch trautes Heim, Zuhause ist es am schönsten und Zuhause ist wo dein Herz ist. Wenn du denkst, dass du das Vokabular einer Sprache in ein paar Monaten in den Griff kriegst, wirst du schwer enttäuscht werden. GPA sagt, du solltest dir ein passives Vokabular von mindestens 10.000 Wörtern zum Ziel setzen.
4. Mit dieser Idee zusammenhängend ist das Prinzip, dass das Hörverstehen die Basis aller anderen Sprachfertigkeiten ist. Nicht sprechen, nicht schreiben, nicht lesen. Wenn du zuhören und verstehen kannst, bist du fähig, auf dieser Grundlage deine Fertigkeiten im Sprechen, Lesen und Schreiben auszubauen.
Wenn du zwar lesen, aber nicht mündlich verstehen kannst, stehst du in der Gefahr, stecken zu bleiben. Sprache ist etwas Gesprochenes, das wir auch schreiben, nicht etwas Geschriebenes, das wir auch sprechen. Frag mal einen Vierjährigen oder einen Analphabeten.
Um deine Lesefähigkeiten zu verbessern und dieses riesige Vokabular aufzubauen, das deine Teilnahme in der Sprachgemeinschaft festigt, ist es normalerweise besser, nicht eine Liste von Wörtern auswendig zu lernen, die du reproduzieren kannst, sondern sich auf das Hören vieler Wörter in verständlichen Kontexten zu fokussieren, bis du sie selber verwenden kannst, ohne zu merken, dass du sie bereits „auswendig“ gelernt hast.
Das heißt, investiere genauso viel Anstrengung, um 90 Wörter auf den Grund deines „Eisberges“ zu bekommen, wie es vielleicht braucht, um 10 Wörter ganz nach oben zu bekommen. Nach einer Weile hast du vielleicht 50 auf dem Gipfel und 50 unten statt 5 oben und 5 unten.
5. Ein weiteres Prinzip ist es, keine Schritte auszulassen bzw. zu Fähigkeiten zu springen, für die wir noch nicht bereit sind. Also, wenn du noch nicht so weit bist, eine Idee in der neuen Sprache zu diskutieren, dann lass es sein, bis du so weit bist. Du brauchst keine Übersetzung in deine Muttersprache. Du brauchst nur zu warten, bis du die Idee von innen heraus verstehst.
Oder auch wenn du eine grammatische Erklärung in der neuen Sprache nicht verstehst, dann frage nicht nach einer Erklärung in deiner Muttersprache. Akzeptiere, dass das fragliche grammatische Konzept der richtige Weg ist, und versuche, möglichst viel aus dem Kontext heraus zu verstehen, und gucke, wie gut du Dinge nachvollziehen kannst, während du sie verwendest. Wenn du später noch Probleme hast, kannst du sie immer noch diskutieren, wenn dein Niveau gut genug ist.
6. Und das letzte wichtige Prinzip: Während Hörverstehen die Basis ist, musst du viel sprechen, um sprechen zu lernen. Nutze deine Sitzungen, um Dinge in unvorbereiteter Weise zu sagen, Dinge, die etwas über dem Niveau liegen, wo du dich wohl fühlst (deine „Wachstumzone“).
Nimm Hilfe und Feedback von deinem Freund an. Das bedeutet, um deine Sprechfertigkeiten auszubauen, brauchst du drei Dinge: eine wachsende Basis an Fertigkeiten im Hörverstehen, das Reden über eine Idee in deiner Wachstumzone (ohne Vorbereitung) und sofortiges Feedback und Hilfe von einem Freund.