Im ersten Teil dieser kleinen Reihe über Kunstsprachen haben wir uns mit konstruierten Sprachen (ConLanguages) beschäftigt. Einen anderen großen Bereich stellen die Plansprachen dar, die früher auch Welthilfssprachen genannt wurden.
Ihre Geschichte geht bis ins 17. Jahrhundert zurück, als Gelehrte und Philosophen wie Gottfried Wilhelm Leibniz sogenannte a-priori-Sprachen entwickelten. Das waren strikt logische Versuche, die Welt anhand eines vollständig neu entwickelten Vokabular und einer eigenen Grammatik zu klassifizieren, sie verwendeten keinerlei existierende Sprachen als Grundlage. A-priori-Sprachen stellten sich als schwer erlernbar und vor allem für die mündliche Kommunikation unbrauchbar heraus.
Eine zweite Gruppe, die a-posteriori-Sprachen, entstanden ab dem 19. Jahrhundert. Sie basieren auf existenten Sprachen wie Englisch oder Latein oder wählen ihr Sprachmaterial aus ganzen Sprachfamilien wie den romanischen Sprachen aus. Als Beispiel sei hier Latino sine flexione (Latein ohne Beugungen) erwähnt, das 1903 vom italienischen Mathematiker Giuseppe Peano entwickelt wurde: Er fand es unnötig, eine völlig neue Sprache zu konstruieren, da Latein als Weltsprache bereits existiere. Peano ließ die komplizierten grammatikalischen Endungen der lateinischen Wörter weg und reicherte den Wortschatz durch moderne Wörter aus den romanischen Sprachen an. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wurden tatsächlich zahlreiche wissenschaftliche Publikationen in Latino sine Flexione verfaßt, das damit eine der wenigen Plansprachen ist, die tatsächlich Anwendung fand.
Von den insgesamt mehreren hundert Projekten haben sich nur wenige durchgesetzt und dazu gehört als wichtigstes Beispiel Esperanto. 1887 vom Arzt Ludwik Lejzer Zamenhof entwickelt, sollte Esperanto wie viele andere Projekte seiner Zeit zur Völkerverständigung über die nationalen und sprachlichen Grenzen hinweg beitragen. Die Basis des Esperanto-Wortschatzes stellen lateinische und romanische Wörter dar, dazu kommen germanische und slawische Elemente. Viele Wörter verstehen Sprecher mehrerer Sprachen, so z.B. Esperanto lampo ‚Lampe‘ zu englisch lamp, französisch lampe, polnisch lampa. Der Satz Adiaŭ kaj vidi vin baldaŭ, mit dem ich mich das letzte Mal von Euch verabschiedet habe, heißt übrigens „Auf Wiedersehen und bis bald“.
Die Angaben zu Sprecherzahlen schwanken stark und bewegen sich aktuell zwischen ca. 150.000 und 2 Millionen. Esperanto wird dabei fast ausschließlich als Zweitsprache erlernt. Allerdings gibt es auch einige tausend Muttersprachler, teilweise schon in zweiter und dritter Generation In diesen Familien wird Esperanto als Sprache einer friedlichen weltweiten Gemeinschaft angesehen und weitergegeben. Der hochrangige deutsche Diplomat Ulrich Brandenburg ist einer der prominentesten Esperanto-Muttersprachler.
Den Esperanto-Sprechern ist es gelungen, etwas zu entwickeln, was den meisten anderen Plansprache fehlt: eine eigene Kultur, die wiederum identitäts- und gemeinschaftsstiftend wirkt. So gibt es Zeitschriften und Bücher, Theaterstücke und sogar Kinofilme auf Esperanto, auf Festivals und in eigenen Radiosendern wird Musik mit Esperanto-Texten gespielt und lange vor dem Euro gab es mit dem Speso und dem Stelo zwei Initiativen, eine eigene Währung der Esperanto-Gemeinschaft einzuführen.
Ein Kritikpunkt an Esperanto wie auch an vielen anderen Plansprachen des 20. Jahrhunderts ist ihr Eurozentrismus. Vokabular und Grammatik kommen aus den europäischen Sprachen, wodurch das Erlernen für Muttersprachler des Englischen oder Spanischen weltweit erleichtert wird, aber für Muttersprachler beispielsweise des Japanischen oder Koreanischen keinerlei Anknüpfungspunkte bildet.
Ein anderes Konzept verfolgt eine der jüngsten Plansprachen, Toki Pona. Die Wortwurzeln stammen aus dem Finnischen, Georgischen, Chinesischen, Englischen und Kroatischen, aber auch aus Pidgin-Sprachen und aus dem Esperanto. Ab 2001 von der Kanadierin Sonja Elen Kisa geschaffen, ist Toki Pona eine minimalistische Sprache, die auf einem Grundwortschatz von 120 Wörtern beruht, welche dann wiederum in Kombinationen benutzt werden. So heißt Banane kili suwi jelo, wörtlich „Frucht süß gelb“. Auch die Grammatik ist bewußt einfach gehalten. Die Beschreibung einer Journalistin, die versuchte, in 48 Stunden Toki Pona zu lernen und vor allem, in dieser Sprache zu kommunizieren, findet Ihr hier. Das Fazit fällt eher skeptisch aus – und mit bisher weltweit nur einigen wenigen hundert Toki-Pona-Sprechern ist die Sprechergemeinschaft eher klein. Toki Pona bringt uns also etwas über Sprachstrukturen bei und über die Möglichkeiten des Sprachenlernens, aber die Chance, daß daraus eine große Bewegung wird, ist gering.
Nach diesen eher ernsten Betrachtungen wird sich der dritte Teil den Spielsprachen widmen: die Erfindung von künstlichen Sprachen nach strengen Regeln ist weltweit ein beliebtes Kinderspiel. Erinnert Ihr Euch noch an solche Sprachen aus Eurer Kindheit?
Ein Kommentar