Es war einmal ein Kaufmann in Bagdad, dessen Geschäfte nicht gut und von Mal zu Mal immer schlechter gingen. Die Leute dort hatten wegen einer Dürrezeit wenig Geld und viele mussten ihr Geschäft aufgeben. Unser Kaufmann befürchtete dasselbe und sagte sich: „Was mache ich noch in dieser Stadt? Gibt es keinen besseren Ort für mich, um Geld zu verdienen?“ Er schickte Briefe an seine Bekannten und Kunden in andere Länder. Eines Tages kam ein Brief von einem Bekannten aus Basra, in dem stand: „Was machst du noch dort? Verkaufe alle deine Sachen und Besitztümer und komm hierher. Dieser Ort ist voller Waren. Wir werden einen Laden für dich vorbereiten, in dem du deine Geschäfte beginnen kannst.“Der Kaufmann handelte mit Gold, Silber, Perlen, Rubinen und mit roten Korallen. Er verkaufte sein Haus und sein Geschäft, belud seien Kamele mit seinen Waren, mit seinen Kleidern und seinen Nahrungsmitteln. Mit ihm reiste ein Kameltreiber.
Sie machten sich auf den Weg, durchquerten in der brennenden Hitze des Sommers die Wüste, in dem sie nur nachts gingen und sich tagsüber ausruhten. Nach einer Woche erreichten sie mitten im Nirgendwo einen Unterschlupf. Sie wurden dort von den arabischen Bewohnern, die für ihre Großzügigkeit bekannt sind, herzlich aufgenommen. Sie entluden ihre Kamele, gab ihnen zu essen und bot ihnen Plätze zum Übernachten an. Am nächsten Morgen jedoch wachte der Kaufmann mit schrecklichen Kopfschmerzen auf und konnte nicht aus seinem Bett aufstehen. Er hatte wohl einen Sonnenstich. So sagte er zu seinem Kameltreiber: „Du musst die Reise allein fortsetzen. Wenn du Basra erreichst, gehe zu unserem Bekannten, gib ihm die Waren und sage ihm, dass ich unterwegs krank geworden bin.“ Der Kameltreiber gehorchte seinem Herrn und machte sich auf den Weg.
Der Kaufmann war fast einen halben Monat krank und als er sich besser fühlte, machte er sich auch auf den Weg nach Basra. Dort erreichte er das Geschäft seines Freundes, der ihn begrüßte und sagte: „Willkommen! Herein! Warum kommst du erst jetzt? Was hat solange gedauert?“ – „Der Kameltreiber hat dir doch gesagt, dass ich krank bin und kommen würde, sobald ich gesund bin.“ – „Wie das? Welcher Kameltreiber? Es ist niemand gekommen. Das letzte Mal, als ich von dir hörte, war durch den Brief, in dem du mir geschrieben hast, dass du kommen wirst.“ – „Wie kann das sein? Sag nicht, dass er mir mein Vermögen genommen hat! Bin ich jetzt ein mittelloser Mann?“ schrie der Kaufmann. Der Freund meinte: „Du wurdest offensichtlich betrogen.“
Der Kaufmann hatte alle seine Waren und das Geld aus dem Verkauf seines Hauses und Geschäfts in Gold und Diamanten investiert, um damit in Basra Handel zu treiben. Alles was er besessen hatte, war auf den beiden Kamelen gewesen. Nun hatte er nichts mehr. Sein Schicksal war bitter. Er konnte nicht länger im Haus seines Freundes bleiben. Ein Gast sollte nicht zu einer Belastung für seine Gastgeber werden durch einen langen Aufenthalt. Er musste sich nun eine Arbeit suchen, um zu überleben. Drei Tage später verließ er das Haus seines Freundes und ging zu einem anderen Ort, um Arbeit zu suchen. Manchmal putzte er in Geschäften, manchmal arbeitete er auf einer Baustelle, manchmal in einem Süßwarenladen.
Eines Tages stolzierte ein Mann wie ein Hahn aus einem Hühnerstall an ihm vorbei. Er trug einen luxuriösen Anzug, seine Ringe funkelten an seinen Fingern, eine goldene Kette hing von seiner Brust herab und ein Diener sorgte dafür, dass die Leute seinem Herrn Platz machten. Als der Kaufmann sich diesen Mann näher ansah, stellte er erstaunt fest, dass es sich um seinen Kameltreiber handelte. Er lief zu ihm und rief: „Wohin gehst du? Wo ist meine Ware?“ Der Diener schob ihn weg: „Hau ab und belästige meinen Meister nicht“, brüllte er. „Frag diesen armen Mann, was er will“, sagte sein vornehmer Herr. Der Kaufmann wurde wütend. Er ergriff die Kleidung des Mannes und begann einen Kampf. Eine Menschenmenge bildete sich um sie herum. Die meisten Leute waren auf der Seite des Reichen. „Wer ist dieser mittellose Mann, der es wagt, mich zu stören?“ fragte der Reiche mit Ekel in der Stimme. „Geh zum Richter und kläre die Sache. Warum lässt du dich von diesem dreckigen Mann vor all diesen Leuten entehren? Der Richter soll ihm die Strafe geben, die er verdient“, sagte ein Mann aus der Menge.
Kurz darauf traten sie vor den Richter. „Was ist los?“ fragte der Richter. „Herr, ich bin ein Händler aus Bagdad. Ich hatte meine Waren mitgebracht und diesem Mann, meinen Kameltreiber. Unterwegs wurde ich jedoch krank und forderte ihn auf, vorauszugehen und die Ware einem Bekannten zu geben. Wie du siehst, hat dieser Mann mich betrogen und alle meine Waren gestohlen“, sagte der Händler verzweifelt.
„Was hast du als Antwort zu sagen?“, fragte der Richter den Kameltreiber. „Wie viel Ungerechtigkeit gibt es auf dieser Welt. Ich habe diesen Mann noch nie in meinem Leben gesehen“, sagte dieser. „Mein Sohn, hast du irgendwelche Beweise für deine Beschuldigungen?“ fragte der Richter. „Nein, Herr. Der Vorfall ereignete sich mitten im Nirgendwo. Es sei denn, ein Beduine in den Bergen hat gesehen, was passiert ist“, sagte der Händler enttäuscht. „Warum kommst du dann hierher und verspottest mich?“, rief der Richter, „ich werde dich sofort ins Gefängnis bringen lassen!“
Der Richter entschuldigte sich bei dem vermeintlich reichen Herrn: „Es tut uns leid, Herr, du kannst jetzt gehen. Wir müssen uns ständig solche Beschwerden anhören“, und entschuldigte sich.
Als jedoch der Kameltreiber das Gerichtsgebäude verlassen wollte, stellte der Richter ihm eine Falle, denn er kannte den Mann von seinem Aufenthalt in Bagdad wieder. Er rief laut: „Kameltreiber, Kameltreiber!“ Und der Kameltreiber drehte sich sofort um. „Ergreift diesen Betrüger!“, befahl der Richter. Der Kaufmann wurde aus dem Gefängnis entlassen und bekam seine Waren zurück.
Der Richter verurteilte den Kameltreiber zu einer Gefängnisstrafe, damit er es lerne, das Vertrauen anderer nicht zu missbrauchen.