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Aus der Menge der vielen Sprachlernmethoden haben wir eine herausgepickt, die uns besonders gut erscheint, um eine Sprache wirklich zu lernen. Vor allem wenn man im Land lebt und wenn man großes Gewicht auf das Erlernen der Sprache legen kann. Allerdings hat diese Methode zwei größere Nachteile, zumindest aus der Sicht eines Lerners:
- sie ist relativ unbekannt und man findet relativ wenig Material
- sie legt die Hauptverantwortung für das Sprachelernen völlig in die Hand des Lerners und das mögen viele nicht, mich eingeschlossen. Wir möchten einen Lehrer haben, der dafür bezahlt wird, dass er uns die Sprache beibringt und dabei selber möglichst wenig Aufwand haben. Nun, so weit das in diesem Leben möglich ist.
Chris hat die Methode GPA hier erläutert mit allen Grundannahmen, dem praktischen Ansatz und den Methoden. Weder er noch ich haben die Methode hundertprozentig in unserem eigenen Lernen angewandt: Er, weil er sie damals noch nicht so gut kannte, ich, weil ich nicht völlig von allen Details überzeugt bin. Daher hier mein Kommentar und meine Anmerkungen zum Ansatz von GPA, wie ich ihn sehe als jemand, der sich nach Chris seiner Liste in der Phase 3 befindet.
GPA heißt wörtlich „Ansatz des wachsenden Teilnehmers“. Gemeint ist, dass der Sprachenlerner stetig mehr am (Sprach)Leben des Gastlandes teilnehmen kann, in dem er stetig besser kommunizieren lernt.
Starten wir mit den Vorteilen, die GPA zweifellos bietet:
1. Teilnahme
Der Ansatz des am Leben im Gastland stetig mehr teilnehmenden Lerners hat den großen Vorteil, dass er den Schwerpunkt gerade nicht auf das Sprachelernen legt. Sprache ist nur Mittel zum Zweck. Ich will mit machen, teilnehmen, dabei sein. Wenn meine Nachbarn und Freunde etwas feiern, miteinander diskutieren oder streiten, trauern oder sich freuen, möchte ich verstehen, was los ist, warum das so ist und wie ich dabei sein oder helfen kann. Und um das zu erreichen, muss ich ihre Sprache können, die Sprache, mit der sie aufgewachsen sind, in der sie denken, träumen und alles, was gesagt wird, am besten verstehen.
Diese Schwerpunktverlegung ist meines Erachtens eine sehr gute Idee. Wir kümmern uns viel zu viel um Grammatik, Vokabel lernen, Texte schreiben und ähnliches. Wir müssen verstehen, dass das Ziel Kommunikation heißt.
Ein Beispiel: Ich traf mal eine Dame, die zusammen mit einer Freundin länger in Thailand gelebt hatte und die Sprache eines kleineren Volkes gelernt hatte. Die Freundin hatte immer das Ziel, möglichst korrekt zu sprechen. Die Dame hatte das Ziel, genauso schnell zu reden, wie sie auch Deutsch redete, ihre Muttersprache. Beide konnten nach ein paar Jahren gut kommunizieren, aber die Einheimischen betrachteten die Dame, die schneller aber häufig nicht korrekt redete, als die wesentlich bessere Sprecherin ihrer Sprache. Ihre Freundin war zwar immer grammatikalisch korrekt, dafür aber ziemlich langsam. Das wurde als unnatürlich und hinderlich angesehen.
Kommunikation und Teilnahme am Leben im Gastland, im Land der Fremdsprache sind das A und O von GPA.
2. Fokus zuerst auf Zuhören und dann auf Sprechen
Chris zeigt, dass Sprache etwas Gesprochenes ist, das wir auch schreiben – nicht umgekehrt. Es gibt tausende Sprachen in der Welt, die nicht geschrieben werden. Es gibt ganz wenige, die man schreibt aber nicht spricht, und diese sind meist ausgestorben und waren damit mal auch gesprochene Sprachen (Latein, Altgriechisch, Althebräisch, usw.).
GPA legt den Schwerpunkt gerade am Anfang auf das Hören: Lass den Sprachhelfer reden, du zeigst und machst nach. Erst nach 30 Stunden sollte man selber zu reden anfangen, nicht vorher.
Mich hat es in der Schule immer extrem gestört, dass ich Sätze sagen konnte (und auch musste), die ich selber nicht verstand, wenn sie jemand anders sagte, besonders ein Muttersprachler. Hörverstehen ist das wichtigste.
Nach dem Hören kommt das Sprechen. So viel und mit so vielen wie möglich reden ist wichtig. Schreiben und Lesen sind nachgestellt. Gerade für Sprachen, die eigentlich (noch) keine richtige Rechtschreibung besitzen, keine offizielle Orthographie, würde Schreiben bedeuten, dass man diese für sich selbst erfindet. Das kann man natürlich machen, aber es nimmt Zeit und Energie und mag neue, zusätzliche Probleme schaffen.
3. Vokabeln sind wichtig, aber nicht das Vokabeln lernen
GPA unterstützt nicht das klassische Vokabeln lernen, wo man Paare von Wörtern miteinander kombiniert und sich einzuprägen versucht. Ganz im Gegenteil: Die Methode geht vom Eisbergmodell aus (siehe auch hier). Viele Wörter kennen wir nur unbewusst, sie sind in den sechs Siebteln des Wörterberges unter Wasser. Nur das eine Siebtel können wir aktiv benutzen. Wenn wir Vokabeln lernen, versuchen wir, die Wörter so zu lernen, dass sie in den aktiven Wortschatz kommen. Natürlich ist das wichtig. Wir wollen ja spontan reden können und nicht Wörter nach gucken und suchen müssen.
Allerdings gibt es auch in unserer Muttersprache sehr viele Wörter, die wir nicht aktiv im Kopf haben. Wir verstehen sie, wenn sie vorkommen, können sie dann auch korrekt im richtigen Kontext einsetzen. Sie fallen uns aber nicht ein, wenn wir zu Hause einen Text schreiben sollen. Der Wortschatz einer Sprache ist immens: 20.000 Wörter soll ein normaler Muttersprachler im Durchschnitt kennen, Profis wie Literaten und Autoren kennen häufig bis zu 60.000. Der Wortschatz einer Sprache geht aber häufig auf über 200.000 bis zu 600.000 Wörter, Fremdwörter und ähnliche Wörter aus Fachsprachen inklusive. Diese Zahlen stimmen grob für das Deutsche und werden wohl für Englisch und Französisch ähnlich sein (Englisch hat vermutlich noch mehr). Wichtig ist die Relation: Wir können nicht alles kennen.
GPA versucht aber, den Lerner zu ermutigen, möglichst viele Wörter auch passiv zu verstehen. Damit legt es einen großen Schwerpunkt auf das Vokabular, allerdings in der richtigen Art: Passiv zählt auch. Was ich verstehe, gehört in meinen Wortschatz, auch wenn es mir bei der Antwort nicht mehr aktiv zur Verfügung steht. Ich kann dann immer noch daran arbeiten, dass sich dieses Wort mir aktiv einprägt. Aber es zählt schon vorher.
4. Vokabeln ja, Grammatik nein
Grammatische Erklärungen werden vermieden. Wenn ein Phänomen nicht verständlich ist, soll es als gegeben hingenommen werden. Dabei bleibt es erst mal, bis man so weit ist zu verstehen, was da vor geht. Grammatik wird also nicht bewusst angegangen.
Diese Idee mag befremdlich sein, sie hat aber ihren Grund: Ausländer, die völlig falsch reden, aber die Wörter wissen und aneinander reihen, werden häufig verstanden. Gerade im Deutschen, das ja bekanntlich eine komplexe Grammatik besitzt, sieht man schnell, dass man relativ viel dieser Grammatik weg lassen kann und doch verstanden wird. Ein Satz wie: „Ich müssen gehen jetzt Haus.“ ist nicht korrekt, wird aber verstanden. Natürlich ist die Kommunikation begrenzt und wenn es auf Details ankommt, wird es schwierig. Man kann mit diesem Niveau schlecht an der Universität studieren, aber man kommt erst mal klar.
Gleichzeitig wird Grammatik nicht negiert, sondern nur verschoben. Es wird immer versucht, dafür zu sorgen, dass der Lerner den richtigen Satz lernt. Er muss aber nicht gleich verstehen, warum das so ist.
5. Mut zur Lücke, aber raus aus der Wohlfühlzone
Was ich nicht kann, muss ich auch noch nicht machen. GPA ermutigt dazu, Dinge zu lassen, die noch zu früh erscheinen und sich auf das zu konzentrieren, was man können kann. Man muss am Anfang keinen juristischen Vertrag verstehen wollen. Man kann eine TV-Show oder eine Soap-Opera in der Fremdsprache nicht verfolgen. Was Muttersprachler zueinander sagen, ist immer schwierig. Das gehört erst in die Phase 5.
Mut zur Lücke, es einfach sein lassen: Ja! Aber auch klar raus aus der Wohlfühlzone. Ich lerne am besten, wenn ich immer ein wenig mehr sagen und verstehen soll, als ich momentan kann. Es kann unangenehm sein. Das nervt und ist anstrengend, aber nur so komme ich weiter. Ich muss mich vor arbeiten, ich muss lernen. Das kann mir niemand abnehmen.
6. Ich bin voll verantwortlich, nicht der Lehrer, den es nicht gibt
Es gibt keinen Lehrer bei GPA, der einen an der Hand nimmt. Man selber ist verantwortlich und geht durch Bilder und Geschichten mit seinem Sprachhelfer. Richtig, ein Helfer, ein Muttersprachler, der keine Ausbildung zum Lehrer braucht, sondern nur seine Sprache spricht und gut erklären kann: Was er sieht, was ein Wort heißt, kreativ sich kleine Geschichten und Vergleiche ausdenken kann. So jemanden braucht man.
Meine Erfahrung ist, dass gerade Lehrer das nicht können. Sie sind für den Klassenraum ausgebildet und können nicht gut umschalten. Sie wollen das Heft in die Hand nehmen und dich leiten im Lernprozess. Diesen Prozess sollte aber nach GPA der Lerner selber in die Hand nehmen. Wenn er heute Morgen im Bus etwas gehört hat, dann soll er danach fragen oder nachhaken, ob seine Interpretation korrekt war. Wenn er das nicht macht, dann hat er eine gute Gelegenheit verpasst. Lehrer mit einem Curriculum im Kopf reagieren hier häufig nicht gut.
Aber es gibt auch ein paar Dinge, die das Lernen mit der Methode GPA erschweren. Oder vielleicht sollte man eher sagen, durch einige Annahmen und Ansätze wird das Lernen so anders, man muss sich so stark umgewöhnen, dass viele Lerner damit Probleme bekommen.
Diese Gedanken folgen in einem weiteren Artikel.
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