Jeder weiß, dass man zum Sprachelernen schwierige Laute aussprechen muss.
Meistens zumindest.
Wenn ich als Deutscher Englisch lerne, gibt es Laute, die ich so nicht kenne und lernen muss. Zum Beispiel gibt es im Deutschen keinen Laut, der gelispelt wird, also zwischen den Zähnen gesprochen wird.
Wenn ich als Engländer oder Amerikaner Deutsch lerne, gibt es noch mehr Laute, die schwierig sind. Vor allem der Laut ch in „ich“ macht Probleme, aber auch die vielen Vokale.
Für Französisch ist es ähnlich, zumindest für die Anglophonen. Deutsche stellen schnell fest, dass sie die Laute eigentlich alle kennen, allerdings werden sie anders gebraucht und die Feinheiten sind dann doch wieder komplizierter, z.B. die unterschiedlichen Nasale.
Phonetik ist die Wissenschaft, die hinter all diesem steckt.
Wozu brauche ich Phonetik?
Meistens gar nicht. Man kann prima eine Sprache lernen, ohne die wissenschaftliche Aufarbeitung all der Komplexitäten dahinter verstehen zu müssen. Und viele Lehrer, die Phonetik unterrichten, vor allem an der Universität, sind nicht in der Lage, die wichtigsten Inhalte zu vermitteln, ohne das ganze System erklären zu müssen oder zu wollen.
Warum dann trotzdem?
Es gibt drei Gründe mit drei Gruppen von Lernern, für die Phonetik bzw. Lautlehre interessant und hilfreich ist:
1. IPA = das Internationale Phonetische Alphabet: Wer fremdartige Laute wie beim Arabischen lernen muss, wird das IPA schnell schätzen lernen. Es kann auch für „einfachere“ Sprachen helfen. Ich hab es z.B. mit Englisch in der Schule so „nebenbei“ gelernt.
2. Schwierige Laute: Es gibt einfach Laute, die man nicht sprechen kann und die man irgendwie lernen muss. Da kann Phonetik helfen. Wobei bei der Erklärung, wie und wo er gesprochen wird, kann man Fachvokabular leider kaum vermeiden.
3. Verstehen wollen: Wer auf Dauer mehrere Sprachen lernt, mag daran interessiert sein, mehr zu wissen, mehr zu verstehen. Wie erzeugt der Mensch Laute und welche Möglichkeiten gibt es? Das kann sehr spannend sein – für Interessierte natürlich!
1. IPA = Internationales Phonetisches Alphabet
1886 hat eine französisch-britische Arbeitsgruppe um den Franzose Paul Passy das phonetische Alphabet entwickelt, das seit dem stetig erweitert wurde und heute wohl komplett ist. Es sieht für jeden Laut, den ein Mensch erzeugen kann, ein einziges Symbol vor. Das Verwirrende am Anfang ist, dass es viele weitere Symbole gibt, die anzeigen, wie ein Laut vom Standard abweichen kann (Diakritika). Das ist häufig für Anfänger überwältigend und verunsichernd.
Meist reicht es, sich das System seiner Muttersprache an zugucken und das System der Zielsprache zu studieren. Ein paar Beispiele, die weiterhelfen sollten:
– papa: a ist der Laut, der entsteht, wenn ein Mensch den Mund öffnet, Luft ausströmen lässt und kein Hindernis im Mund bildet. P ist der Laut, wenn man den Mund schließt und mit plötzlichem Aufpoppen wieder öffnet.
– mama: Zu a siehe oben, aber m ist der Laut im Kopf, wenn die Lippen geschlossen bleiben, die Stimmbänder summen und die Luft durch die Nase entweicht.
A, m und p werden auch in der IPA so notiert.
Eine Schwierigkeit, die immer wieder sogar Fortgeschrittene verwirren kann, ist die Tatsache, dass viele Materialien auf Englisch im Internet und woanders kursieren. Englisch ist aber eine phonetisch schwierige und problematische Sprache, für die man das IPA lernen sollte und nicht mit ihr das IPA. So stellen Anglophone häufig das i mit ee da, was bei „to see“ und anderen Wörtern auch stimmt, aber nicht immer (z.B: each, these oder angry)
2. Schwierige Laute
Viele, die Deutsch lernen, kämpfen mit dem ch nach e und i, wo es ganz sanft gesprochen wird. Sie wandeln dann den Laut nach sch oder k ab, was in diversen Dialekten ja auch akzeptabel sein kann. Wenn man das IPA genauer anguckt, stellt man fest, dass das weiche ch direkt neben dem j steht (wie in Januar, Jaguar, Jens und Yeti). Nur ist es stimmlos statt stimmhaft, also die Stimmbänder bleiben aus und geben keinen Laut von sich.
Dies kann helfen, den Laut zu lernen. Es ist nicht immer einfacher, sich diese Feinheiten bewusst zu machen und umzusetzen. Natürlich ist es gut, wenn ein Muttersprachler einem den Laut vorsagt bzw. man ihn sich aufnimmt und viel anhört.
Ein weiteres Beispiel ist das rollende spanische r, dass es auch im Russischen und anderen Sprachen gibt. Im Spanischstudium hatten wir viele Kommilitonen, die diesen Laut nicht konnten. Spanisch ist aber sehr schwierig ohne ihn. Spanier verstehen ein stark gerolltes r im Hals häufig nicht (also so ähnlich wie das französische r gesprochen). Der Laut kommt bei ihnen nicht vor.
Es gab bei uns Kurse, wo dieses Problem gelöst wurde. Eine Stunde pro Woche versuchten meine Freunde sich am Wort Brot, ersetzten das r mit ed (gleich bedot) und versuchten das e zu verschlucken, so dass die Zunge sich an der Stelle des d bewegt. Wenn man wieder die Symbolliste der IPA anschaut, sieht man, dass das r unter dem t und d steht, also an derselben Stelle gesprochen wird. Nur leicht anders und das war die Idee des Kurses.
Bei vielen hat das auch geklappt.
Schwieriger ist das pharyngale arabische h. Es steht zwischen dem R, das französische r, und dem deutschen h. Hier kann es helfen, anhand der IPA zu verstehen, an welchen unterschiedlichen Stellen diese Laute auf die gleiche Art gesprochen werden. Man kann dann versuchen, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie man zwischen die beiden bekannten Laute noch einen dritten gequetscht bekommt. Nicht ganz einfach, aber machbar! Wieder am besten mit Aufnahme und Kontrolle durch Muttersprachler.
3. Verstehen wollen
Die dritte Option war das Verstehen wollen. Wenn man viele Sprachen gelernt hat, mag es interessant sein, sich zu vergewissern, warum manche Dinge so sind und nicht anders. Artikulationsart und Artikulationsort sind zwei Anhaltspunkte, wonach man Laute sortieren und miteinander vergleichen kann. Es kann helfen, wenn man mehr versteht.
Ein anderes Gebiet ist die Intonation: Weiter oben hatten wir schon gesagt, dass Deutsch und Französisch vom Lautsystem her sehr ähnlich sind. Aber in der Intonation unterscheiden sie sich erheblich. Deutsch hat einen Wortakzent: Das Wort „Schraubenschlüssel“ hat vier Silben. Dabei muss die erste Silbe „Schrau“ am stärksten betont werden, danach die dritte „schlüs“ und die zwei anderen werden gar nicht betont. Dieser Akzent verändert sich nicht, wenn das Wort in einem Satz vorkommt: In „Der Schraubenschlüssel ist weg.“ wird das Wort „Schraubenschlüssel“ genauso betont wie allein stehend.
Französisch hat einen Phrasenakzent, d.h. die Betonung kann wechseln, je nachdem in welchem Kontext ein Wort vorkommt. „petit“ (klein) hat den Akzent auf der zweiten Silben „tit“, „maison“ (Haus) ebenfalls auf der zweiten „son“. Wenn jetzt aber die Wörter in einer Phrase zusammen kommen wie „la petite maison“ bleibt nur noch ein Akzent auf „son“ von „maison“ übrig. Hinzu kommt, dass die beiden Silben mit „e“ in „petite“ sogar bei schneller Aussprache ganz entfallen.
Viele Studenten finden es hilfreich, diese Unterschiede zu wissen. Manche auch nicht, das kommt auf den Lerntyp an.
Wie lerne ich nun das Phonetische Alphabet am einfachsten, wenn ich es denn möchte? Dazu demnächst mehr.