Im Internet wird folgender Satz verschiedenen Urhebern zugeschrieben:
„Du kannst 20 Sprachen sprechen – aber wenn Du Dich in den Finger schneidest, sprichst Du Deine Muttersprache!“
Das stimmt natürlich. Die Muttersprache ist die bevorzugte Sprache einer Person, die Sprache des Herzens. Das ändert sich im Leben nicht einmal, wenn man einen Menschen heiratet, der nicht die eigene Muttersprache spricht. Man kann eine oder mehrere andere Sprachen fließend sprechend; man kann in ein anderes Land ziehen, in dem die eigenen Sprache nicht gesprochen und nicht gelernt wird – die Muttersprache bleibt immer dieselbe. Man denkt und träumt in ihr.
Das kann sich manchmal durch Reisen, intensive Zeiten in einer anderen Kultur und Umgebung, durch Universität und Studium zeitweise ändern.
Ich habe allerdings herausgefunden, dass es eine einzige Ausnahme gibt, in der Jugendliche mit ihrer bevorzugten, ihrer meist gesprochenen Sprache von ihrer Muttersprache zu einer anderen Sprache wechseln:
Wenn sie mehrere Jahre die Schule in dieser Sprache besucht haben.
Sie verbringen 80% des Tages in einer anderen Sprache, machen ihre Hausaufgaben darin, unterhalten sich mit ihren Freunden und gehen ihren Hobbys nach. Auch wenn die Eltern aus einem anderen Kultur- und Sprachkreis kommen, kann hier ein Wechsel erfolgen.
Ein Beispiel: Wir haben in Südfrankreich einen jungen Mann mit US-amerikanischem Pass getroffen, der den größten Teil seines Lebens im französischsprachigen Teil Belgiens verbracht hatte. Unsere Gruppe bestand größtenteils aus Englisch- oder Deutsch-Muttersprachlern und er wurde ziemlich bald gebeten vom Französischen ins Englische zu übersetzen. Keine Chance – er versagte dabei komplett. Kein Wort kam aus seinem Mund.
Zwei Wochen später bat ihn jemand, in die andere Richtung zu übersetzen, vom Englischen ins Französische. Überhaupt kein Problem: das konnte er ohne nachzudenken.
Französisch war seine Hauptsprache geworden, sein „Mutter“-Sprache.